Jahrestagung 2018

Impressionen zur Jahrestagung 2018

Ein kurzer Überblick mit vielen kleinen Einblicken und Ausblicken für einen Durchblick mit Weitblick.

von Annerose Neeb-Fleckner

Du warst auf der DGsP-Jahrestagung 2018,

  • wenn Du erlebt hast, dass das, worüber gesprochen wurde, auch im Miteinander gelebt wurde.
  • wenn Du spielerisch und staunend neue Werkzeuge für Deinen systemischen Rucksack gesammelt hast.
  • wenn aus Deiner Vorfreude auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung und auf die Inhalte der Tagung Freude, Zufriedenheit und Glücksgefühle entstanden, dabei zu sein.
  • wenn Du Unterschiede im Umgang miteinander, in der Bezogenheit aufeinander wahrgenommen hast, die für Dich einen Unterschied gemacht haben.

Der Rahmen

Silke Palmowskis hat uns wieder zwei wunderschöne Geschichten vorgelesen: „Wie man guten Mais anbaut“ und “Seesterne am Meer“.

Gabriele Günthör ließ uns alle staunen, als sie das Gedicht „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“ von Bertolt Brecht auswendig vortrug. Dreizehn Strophen mit je fünf Zeilen – ein eindrucksvolles Erlebnis.

Am Samstagabend erlebten wir „Erfurt in Licht und Schatten“. Die Schauspielerin Susanne Peschel gab uns in der Annenkapelle innerhalb der Barfüßerruine mit ihrem Schattentheater einen Abriss über 1200 Jahre Stadtgeschichte.

Ein Büchertisch des Carl-Auer Verlags lud zum Verweilen ein. So manche Reisetasche war dadurch bei der Rückfahrt schwerer als bei der Ankunft.

Auf einem Tisch war das Mathematik-Spiel Quoai aufgebaut. Die Bildhauerin Claudia Maria Ammann hat dieses Spiel geschaffen. Es bietet neue Möglichkeiten für das Erleben von Mathematik. Arite Lindig nutzt das Quoai in der Arbeit mit Kindern. Sie hat das Spiel auf der Jahrestagung allen Interessierten vorgestellt.

Wer mehr über dieses Spiel wissen möchte, findet Informationen unter www.quoai.net .

Die Tagung

In den drei Impulsvorträgen haben Holger Lindig, Manuela Krahnke und Peter Herrmann drei Praxisfelder vorgestellt, in denen systemische Pädagogik wirksam wird.

Impuls 1: Praxisfeld Frühpädagogik

Holger Lindig: Systemische Pädagogik in der KITA

Holger Lindig arbeitet seit 2004 in Mecklenburg Vorpommern im Praxisfeld Frühpädagogik u.a. als Fachberater für Kindertagesstätten, als Fortbildner für KITA-Leitungen und KITA-Mitarbeiter, die pro Kalenderjahr 40 Stunden Fortbildung nachweisen müssen.

Für die Arbeit der Erzieher ist es wesentlich, mit welchem Grundverständnisbild vom Kind sie ihre Arbeit wahrnehmen.

Holger Lindig gibt in den Fortbildungen die systemischen Gedanken an die Erzieher weiter.

Ansatz: Kinder zwischen 0 und 10 Jahren brauchen

  • Anregungen aus unterschiedlichen Erfahrungsfeldern, damit Erfahrungen wachsen können.
  • Freiheiten, um Selbstwirksamkeit zu erfahren.
  • ansprechende Reflexionen.

Holger Lindig gibt einen umfassenden Überblick über den Rahmenplan für die frühkindliche Erziehung in Mecklenburg Vorpommern (2004 bis 2008) sowie über die Bildungskonzeption nach der Umgestaltung des Rahmenplans seit 2008. Vor diesem Hintergrund stellt er seine langjährig erprobten, im Laufe der Jahre weiter entwickelten und von den Erziehern gerne nachgefragten Ansätze für die Implementierung der systemischen Pädagogik im KITA-Bereich vor.

Impuls 2: Praxisfeld Schule

Manuela Krahnke: So gewinnen wir an Augen-Höhe

Inspirationen für den eigen-willigen Umgang mit Rahmenbedingungen im Kontext Schule.

Die Schülerinnen und Schüler einer beruflichen Schule in Marburg haben zusammen mit ihrer Lehrerin Manuela Krahnke folgende Schritte zurückgelegt:

Metablick: Bezogene Individuation im Schulalltag.
Was müssen wir wirklich? Woher kommt der Auftrag?
Eigene Bedürfnisse: Wer braucht genau was? Eigene Ressourcen entdecken und nutzen, Eigensinn fördern.

Schulischer Rahmen: Zusammenstellung der nichtverhandelbaren und der verhandelbaren schulischen Rahmenbedingungen.

Unterrichtsinhalte:
Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerin verleihen den Aufgaben des Lehrplans einen eigenen Sinn, indem sie für sich folgende Fragen klären:

  • „Was möchten Sie (gemeint sind die Schülerinnen und Schüler) besser können? Wie könnten Sie das am besten lernen?“
  • „Wie muss ich (ihre Lehrerin) für Sie sein, damit Sie (die Schülerinnen und Schüler) hier gut lernen können?“

Manuela Krahnke fördert mit ihrer Herangehensweise sowohl die Individuation ihrer Schülerinnen und Schüler als auch ihre Bezogenheit in der Lerngruppe. Ein überzeugender Ansatz für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern, der hoffentlich viele Nachahmer findet.

Impuls 3: Praxisfeld Mensch

Dr. Peter Herrmann: Sich selbst führen – Aspekte der Selbstachtsamkeit

Peter Herrmann nähert sich dem Thema aus drei Bereichen:

  • hypnosystemisch
  • neurobiologisch
  • aus Sicht der buddhistischen Psychologie; Fragestellung: Achtsamkeit in Bezug auf was?

Auf dem Weg zum Vortragsthema.
Mit dem hypnosystemischen Blick beschreibt Peter Herrmann neun verschiedene Trancehaltungen. Dazu gehören der Tunnelblick („die anderen sind schwierig“), Altersregression („ich fühle mich klein und unfähig“), Amnesie („ich weiß nicht mehr, wie ich das lösen kann“), Halluzination („alles wird mir zu viel“).

Anschließend erläutert Peter Herrmann die Wahrnehmungssteuerung aus Sicht der Neurowissenschaften. Er stellt das „drei-einige Gehirn“ nach Paul D. Mac Lean vor. Die Informationsverarbeitung im Gehirn erfolgt zunächst im Stammhirn (Reptiliengehirn), dann im Zwischenhirn (Limbisches System) und zuletzt im Großhirn (Neokortex). Peter Herrmann geht auf das Konzept der Neurorezeption von Stephen Porges ein (Bemerkung 1) und berichtet vom Libet-Experiment des Neorophysiologen Benjamin Libet (Bemerkung 2).

Bemerkung 1:
„Ein unbewusstes Überwachungsprogramm in unserem Zentralnervensystem tastet 24 Stunden lang am Tag für uns die Umgebung nach Gefahr ab.“

Bemerkung 2: https://www.planet-wissen.de/natur/forschung/hirnforschung/pwiedaslibetexperiment100.html
„Das Libet-Experiment sorgte für Aufsehen, weil experimentell bewiesen schien, dass nicht das bewusste Wollen, sondern unterbewusste Prozesse für unsere Handlungen verantwortlich sind.“)

Da die wesentlichen Interaktionen zwischen Berater und Klient – Lehrer und Schüler – Pädagoge und Kind/Jugendlichem auf der unwillkürlichen, nicht kognitiven Ebene ablaufen, müssen Berater und Pädagogen Sensibilität für die Prozesse der unbewussten Übernahme von Themen, Gefühlen und Spannungen entwickeln. Das bedeutet, sie müssen sich selbst beobachten, um sich selbst steuern zu können.

Das Vortragsthema.
Peter Herrmann bezieht viele Erkenntnisse aus der jahrtausendealten, buddhistischen Psychologie in seine Betrachtungen zur Selbststeuerung mit ein, die die Neurowissenschaften unserer Zeit bestätigen konnten. Er nennt verschiedene Aspekte zum Aufbau von Selbstachtsamkeit und Achtsamkeit für andere Menschen, für Selbststeuerung und Selbst- / Fremdwertschätzung und beschreibt mehrere Methoden und Übungen zur Selbststeuerung.

Peter Herrmann schaut in seinem Impulsvortrag „über den systemischen Tellerrand“. Er entwickelt aus systemischen, neurobiologischen und buddhistischen Ansätzen Methoden und Übungen zur Selbststeuerung. Besonders interessant ist die Einbeziehung der buddhistischen Erkenntnisse, die sich seit Jahrtausenden bewährt haben und nach und nach von den Neurowissenschaften bestätigt werden konnten.

Auf der Jahrestagung 2018 wurden sechs Workshops angeboten, jeweils drei parallel. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Plenum waren so interessant und begeisternd, dass alle, die nicht teilgenommen hatten, bedauerten, nicht dabei gewesen zu sein.

In der nachfolgenden Übersicht sind zur Information die Workshopbeschreibungen der Referentinnen und Referenten angegeben.

Samstag, 12. Mai 2018

Workshop 1

Ronja Fröhlich: Selbstgemacht – Methoden verändern und erfinden

In diesem Workshop geht es nicht darum, eine bestimmte Methode oder Technik kennenzulernen, sondern sich darin zu üben, bewährte Methoden, Techniken usw. abzuwandeln, anzupassen oder direkt eigene neu zu erfinden. Zu diesem Zweck habe ich einen „Baukasten für Werkzeugmacher“ zusammengestellt, zu dem es verschiedene „Spiele“ gibt, die den kreativen Erfindergeist wach kitzeln.

Workshop 2

Tanja Schatzl, Susanne Wegner: Methoden der Konfliktlösung und der Entscheidung für Kinder und Jugendliche

Sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden und sie zu vertreten ist eine Herausforderung für Kinder und Jugendliche im Miteinander.

Wir stellen aus unserer Praxis mit der Friedenstreppe und dem systemischer Konsensieren zwei konkrete Methoden vor, mit deren Hilfe wir Kinder und Jugendliche darin unterstützen können, selbstwirksam für sie stimmige und gute Lösungen zu finden.

Workshop 3

Winfried Palmowski: „Systemisch denken ist unmöglich …“

Der Titel dieses Workshops ist Teil eines Zitates von Mara Selvini-Palazzoli. Ich möchte an einigen Beispielen zeigen, wie sehr wir in linearen Denkmustern verfangen sind und dann mit den Teilnehmern gemeinsam darüber nachdenken, was zu tun ist und wie Lösungen aussehen könnten.

Sonntag, 13. Mai 2018

Workshop 4: Praxisfeld Mensch

Gina Wiegräfe: Alle an Bord?

Einladung zur Erkundungsreise zu unseren verschiedenen Rollen und Persönlichkeitsaspekten, bzw. inneren Anteilen. Wie bin ich aufgestellt und was ist in welchen Kontexten gefragt, wie gestalte ich die Übergänge von einer Rolle zur anderen?
Welche inneren Anteile brauche ich um lustvoll in Aktion zu sein?
Ich freue mich auf die gemeinsame Reise. Ahoi!

Workshop 5

Herbert Nieszner: Die Katze und der Sack

Übungen mit Pep für Seminare und Trainings
Es wird ein bewegtes/bewegendes Angebot sein unter Einbezug von Körper, Stimme, Raum,…:
Ich würde – je nach Interesse, Energie, Größe und Aufnahmebereitschaft der Gruppe – bis zu zehn Gruppenübungen anleiten, die sich in meinen bisherigen Beratungen, Seminaren und Trainings bewährt haben.

Workshop 6

Holger Lindig: Philosophieren mit Kindern, Praxisfeld Frühpädagogik

Kinder brauchen Werte, doch diese gilt es nicht zu vermitteln, wie ich es häufig noch in den KITA´s erlebe, sondern sie sollten philosophierend entdeckbar werden.
Somit ist es wichtig, mit Kindern p(P)hilosophieren zu praktizieren.
Philosophieren bedeutet für mich: “Aus Neugier und mit Lust Fragen zu dem “Da Draußen“ und dem „Da Drinnen“ zu stellen. Und diese sich gegenseitig Mit-zu- teilen.“
Aus diesem Grund sehe ich die systemische pädagogische Grundhaltung und die daraus resultierende Fragefähigkeit als sehr gut geeignet an, schon im KITA Bereich mit dem p(P)hilosophieren zu beginnen.
Ich möchte euch einige Ansätze aus unserer Fortbildung diesbezüglich vorstellen.

Einladung und Programm als PDF

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